mund, nase, wangen

… neulich, am Nachmittag, bin ich mit dem Rad die Prater Hauptallee entlanggefahren und habe mich dabei glücklich gefühlt … 

Dieses ‘Glücklichsein’ war das Resultat folgender Erkenntnis: 
Es fehlt mir, Menschen wahrzunehmen!

Und dann konnte ich vom Rad aus, im Vorbeifahren, beobachten, wie Freunde miteinander plaudern, wie Pärchen sich verliebt anlächeln, wie Radfahrer und Jogger miteinander reden, wie … Such es Dir aus! 

… mal nicht nur Augen sehen! … ganze Gesichter wahrnehmen, die Nuancen der Mimik, die einem durch die Maske genommen werden! 

Immer wieder taucht in Gesprächen, die ich führe, das Thema auf, dass Kindern ihre Sozialisierung genommen wird, weil sie keine Erfahrungen im Lesen von Gesichtern machen können! Eltern, die ihre Kinder mit Maske erziehen müssen … Wie sollen Kinder merken, wie etwas gemeint ist, wenn sie es nur hören, wenn sie die motivierende oder tadelnde Absicht ihrer Eltern nicht sehen können …


Es war eine für mich sehr einschneidende Erkenntnis, was uns die Maske in Wirklichkeit nimmt: ‘Mund, Nase, Wangen’!

… und so entsteht sie in meinem Kopf, die Idee, Leute mit ihren Masken zu fotografieren – und zu beobachten, wie viel die Augen einem wirklich mitteilen …

Ich bin grundsätzlich jemand, der Menschen mag, offen ist und sie anspricht … Wenn ich sie fotografieren will, ist das anders …
Es bedeutet jedesmal eine gewisse Überwindung für mich, sie anzusprechen!

… die Maske hat meinen Models aber – denke ich – eine gewisse Skepsis genommen; so viel von der Identität gibt man ja dadurch nicht preis! Oder?!

Spannend war es auch, die Leute anzusprechen, während sie ihre Maske noch nicht trugen … und wenn ich drüber nachdenke … ebenso ihre Reaktionen auf die Frage: “Habt ihr eure Maske dabei?” 

Die meisten fingen sofort an zu suchen, ohne, dass ich darum gebeten hätte! “Hier schau, da ist sie!” 

Fühlen wir uns ohne Maske schon fast kriminell? 

Haben wir Angst davor, danach beurteilt zu werden, ob wir (k)eine Maske dabei haben?

Wir alle finden die aktuelle Situation belastend, keine Frage! Aber aus welchen Gründen?
Weil uns der Staat einengt? – Sicher sehen das einige so …
Weil uns die Maske das Atmen schwer macht? – Von meinen Models empfand das niemand so! – “Ich finde die FFP2 ganz angenehm”
(klar, vergleichsweise … Du weißt, worauf ich hinaus will!)
Weil uns das Zwischenmenschliche fehlt? – Das ist es, was ich glaube! Und nicht nur der Kontakt zu Freunden und Familie … Unterbewusst nehmen wir den ganzen Tag die Menschen in unserer Umgebung wahr … Wir nehmen Stimmungen auf, die an Orten herrschen … Wir sitzen im Café und beobachten die Gespräche um uns herum, lachen mit einer Gruppe, die sich amüsiert, lassen uns anstecken von gestressten Gesichtern, von unausgeglichenen Gästen, grinsen wissend, wenn wir merken, dass ein erstes Date nur für eine Hälfte angenehm ist …

Ich glaube, “zwischenmenschlich” bedeutet nicht: ‘mein Gegenüber und ich’, sondern bedeutet: alles, was um uns herum passiert, was von Menschen verursacht wird!

Es ist herrlich, alleine in einem Park auf einer Bank zu sitzen … solange man nicht alleine ist … und auch wenn da Menschen sind … wenn sie Maske tragen, ist man dennoch alleine … bin ich dennoch alleine … 

Vielleicht greife ich zum Schluss das Titelbild noch auf: Die Maske nimmt uns den Verstand (für einander) – das Verständnis für einander, die Möglichkeit, Empathie zu fühlen …

Wäre es nicht genial, wenn der Künstler das hier lesen würde und seine Interpretation zum Besten gäbe?! 

Zurück
Zurück

gleichgewicht

Weiter
Weiter

ruhe vor dem sturm