wie alles endete.

Was soll ich nur schreiben? Ich will hier rauslassen, was ich fühle, doch fehlen mir die Worte!

Die Umarmung vor zwei Wochen war die letzte, die ich mit ihm teilen sollte, der Kuss der letzte, den wir gemeinsam gehabt haben werden.

Vor zwei Wochen kam ich zurück aus Brüssel, wo Monty und ich unser lange überfälliges Gespräch führten, in dem wir erkennen mussten, dass unsere Beziehung nicht weiterbestehen kann …, dass wir einen Weg finden müssen, wieder eine Zeit alleine durchs Leben zu gehen.
… das Gespräch, in dem ich erkennen musste, dass Liebe nicht stärker als alles andere ist.

Gut, jetzt habe ich einleitende Worte verfasst, oder zumindest den Versuch unternommen, dies zu tun … doch wie fange ich das hier jetzt an?

… versuche es mal vom Anfang her.

Das waren wohl die ersten Fotos des Wochenendes in Brüssel.
Leon, Montys WG-Katze (ich höre in meinem Kopf, wie er mit ihm redet, Leons Namen ausspricht), und eine einsame Blume hinter einem Vorhang in einem alten Fenster.

Das Bild der Blume im Fenster spiegelt das Gefühl wider, welches über dem Wochenende schwebte und bereits am nächsten Tag zur Aussprache kommen sollte:

… eine gewisse Einsamkeit und ein Gefühl von “da ist etwas zwischen uns und der Realität”.

Das Wetter passte auch erschreckend gut zu unserem Wochenende: wolkig, mit kurzen Momenten der Sonne.

Ja, ich bin hier bereits beim Freitag. … als ich Donnerstagabend ankam, war das Wesentliche, endlich nicht mehr alleine schlafen zu müssen, jemanden zum Kuscheln zu haben, Wärme zu spüren, Nähe zu erleben - Monty bei mir nicht nur zu wissen, sondern zu fühlen … weiter nichts.

Kennst du den Geruch deines Lieblingsmenschen …

Dieses Glas Bier symbolisiert unseren Freitagabend … mit seinen Freunden - ich habe es als Erinnerung an diese Zeit mitgehen lassen.

Der Abend gab uns die Gelegenheit auszusprechen, was da über uns schwebte.

Eine seiner Freundinnen war ebenfalls in einer Fernbeziehung - wovon sie erzählte -, weshalb Monty erwidern konnte: “It’s not easy” … was mir die Gelegenheit gab, auf dem Heimweg zu fragen: “I did not know that it isn’t easy for you, too” … was ihm die Chance gab, mir vorwegzunehmen, was ich zu sagen geplant hatte: “Yeah, I think we also should talk about that this weekend”, zum Glück mit dem Nachsatz: “But not today and not tomorrow”.

Das war zwar auch meine Meinung - doch damit war auch klar, dass Sonntag oder spätestens Montag ein Gespräch unausweichlich war.

Wir gingen heim, wir gingen heim … hielten uns an den Händen …
versuchten das Thema wieder zu verdrängen … uns die verbleibende Zeit nicht nehmen zu lassen …

Ich weiß nicht, ob es für ihn funktionierte … für mich nicht besonders.

Unser Samstag begann nach einem entspannten und relativ sorgenfreien Frühstück mit einer Zugfahrt.
Unser Ziel war der Strand in Oostende.

Auf diesen Tag hatte ich mich bereits Wochen vorher gefreut - Strand!

Die Zugfahrt entpuppte sich dann als überraschend aufwühlend für mich.
Ich hörte etwas Klassik und las … doch war der Inhalt des Buches (welches ein Geschenk von Monty war und sogar eine Widmung von ihm trägt) nicht stark genug, um das Gefühl der näherkommenden Trennung nicht zu spüren.
Ich konnte gerade noch die Musik auf meinen Ohren wechseln, bevor ich bereits im Zug, noch bevor wir im Ansatz gesprochen hatten, zu weinen begann. Ich hielt meine Gefühle trotzdem noch während der Fahrt in meinem Tagebuch fest.

Unser Besuch an der Küste spiegelte erneut wider, wie gut wir harmonierten.
Wir entschieden gemeinsam, ich meine wirklich gemeinsam (nicht nur einer macht Kompromisse), was uns interessierte und wo wir hingehen wollten und genossen dann jeweils die Umsetzung der eigenen Wünsche und der des anderen - eine unglaublich schöne Erfahrung.

Wir redeten allerdings nicht zu viel. Ich genoss es, mit ihm unterwegs zu sein … gelegentlich das Meer zu riechen … ihn anzuschauen und mir einzuprägen …

Die Bulldozer am Strand zogen unser beider Interesse auf sich.
Monty meinte sofort, dass er sie sehr fotogen findet. Er hat einfach ein schönes Gefühl für Visuelles.

Der Strandtag bot mir viele Motive, die ich versuchte, im Stile Andreas Gurskys zu fotografieren.
Sein Stil hat für mich etwas minimalistisches aber dennoch erdrückendes.

Dieses Gebäude sahen wir während unseres gesamten Tages.
Es war das höchste und unpassendste des ganzen Ortes und zog daher unsere Aufmerksamkeit auf sich und wir gingen los, um zu sehen, wie es aus der Nähe aussieht.

Es war wie eine Zeitreise in einen 80er-Jahre-Film … nicht im Positiven … wie auch an diesem Wochenende.

Dann gingen wir zurück zum Strand.
Auf dem Weg fotografierte ich noch ein paar Gebäude, die mich geometrisch ansprachen, um in mir eine gewisse geometrische Ausgewogenheit zu finden …

Den Strand Teil zwei fand ich herrlich … die Mischung aus Weite, Zäunen, totem Sand und etwas Gras, welches die Szene aufwärmt.

Buhnen, Monty, die Stadt, die ich schon fast vergessen hatte …

… dann wieder das Gefühl der kalten Einsamkeit.

Nach den letzten Strandbildern nahm Monty mich an die Hand.
Er hatte genug davon, dass ich ständig stehenblieb und zog mich zu sich heran, hakte sich unter meinem Arm ein.
Damit riss er mich aus meiner Melancholie. Ich musste lachen. Ich war so glücklich, dass ich uns zum Anhalten brachte und ihn umarmte und küsste.
… Abwesenheit von melancholischen Zukunftsgedanken.

Wieder am Bahnhof hatten wir noch sechs Minuten, bis der Zug abfuhr.
Die nutzten wir, um uns eine Waffel mit allem zu holen, was glücklich macht … ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die belgische Flagge für mich dazugehörte.

Zurück in Brüssel erinnerten wir uns daran, dass ich gerne noch ein Foto umsetzten wollte, was mir Donnerstag bei meiner Ankunft in den Sinn gekommen war (nicht das oben stehende in rotem Licht … leider fanden wir den Ort nicht wieder).
Trotz dass wir einen langen Tag hinter uns hatten und müde waren, hatte Monty die Geduld, mit mir die symbolische Extrameile zu gehen, damit ich etwas probieren konnte.

… einer von vielen Belegen seiner Liebe für mich … sein fortwährendes Verständnis für mich und meine Eigenarten und Ideen.

Der Tag der Tage war gekommen.
Dieses Mal nahmen wir den Flixbus, um nach Antwerpen zu gelangen.
Dort checkten wir in einem schönen Hotel ein, in dem der Hotelier uns augenscheinlich mochte und wir während der Formalitäten Smalltalk führten - für ihn waren wir wohl das perfekte Paar, was auf einem romantischen Kurzausflug zu Besuch war … wie Monty später, als ich die Situation erwähnte, sagen sollte: “Little did he know …”

Nachdem wir uns im Hotel kurz ausgeruht hatten, gingen wir los, die Stadt zu erkunden.

Wir begannen am Bahnhof, der bereits bei der Anreise unser Interesse geweckt hatte.

Dann gings Richtung Wasser, wo wir ein Museum entdeckten, was laut Google neben einer wenig sehenswerten Ausstellung eine Wahnsinns-Aussicht bieten sollte.

Wir erkundeten die Stadt weiter … wissend, dass das unangenehme Gespräch noch kommen musste …

Zum Abendessen gingen wir in ein Restaurant, welches Gourmetpommes servierte. Die waren wirklich super! … dazu ein leckeres Bier … dann der Weg zurück ins Hotel.

Wir legten uns hin, um etwas auszuruhen …

Monty sah mich an … lächelte … ich merkte, irgendwas stimmte nicht und ich fragte … Er fragte, ob wir jetzt reden wollen.

Etwas panisch, die letzten schönen Momente so lange wie möglich genießen wollend, fragte ich, ob wir es nicht lieber am nächsten Tag (dem Tag meiner Abreise) machen wollen …
Diese Reaktion meinerseits gefiel uns, einmal ausgesprochen, beiden nicht …

Ich kann mich nicht erinnern, wer nun wirklich anfing.

Wir beide weinten mehr oder weniger sofort. Nicht aus einem Munde, aber aus einem Gedanken schluchzten wir beide … dass wir nicht sehen, wie es weitergehen kann … dass wir uns den Kopf zerbrochen haben, auf der Suche nach Lösungen … Vergebens!

So lagen wir da. Weinten. Umarmten uns. Weinten.

Versuchten wieder Worte zu finden.

Hielten uns aneinander fest. Weinten. Fanden tröstende Worte für den anderen. Weinten.

Es war wohl der bislang schmerzhafteste Moment meines Lebens
… der Schmerz der Trennung, die Verzweiflung im Angesicht der Ausweglosigkeit … die Erkenntnis, dass etwas so unendlich Aufrichtiges und Schönes gerade in diesem Moment zu Ende geht.

So lagen wir noch eine Weile … weinend und kuschelnd.

Als wir uns etwas beruhigt hatten, beschlossen wir, uns noch einmal an die frische Luft zu begeben und unsere Gedanken etwas durchzulüften.

Wir hielten den ganzen Spaziergang über immer wieder Händchen sahen uns an … waren getrennt aber doch zusammen.


Zurück im Hotel beendeten wir unsere Brüsselserie “The good Place”- wir brauchten etwas Ablenkung.
Wir fingen die Serie bei meinem Besuch im November an … fortsetzen konnte ich sie nicht, weil in Österreich nicht verfügbar …

So kam es, dass wir am Abend, an dem unsere Beziehung zu Ende ging, auch eine gemeinsame Serie beendeten.

Wir versuchten zu schlafen … kuschelten. Ich merkte Monty an, dass er nicht schlafen konnte … Meine Versuche, mich abzulenken mit Musik auf meinen Kopfhörern, missglückten auch. Also fragte ich ihn, ob er okay sei.

Da brach es wieder aus ihm heraus - und in der Sekunde auch aus mir.
Es war ein so trauriger und schmerzhafter Moment. Die immer wieder aufkommende Erkenntnis: Es ist vorbei. Boyfriend and Boyfriend gibt es nicht mehr. (Mit diesen Worten begann unsere Beziehung vor etwa anderthalb Jahren.)

Es tat so weh … diese langsam sickernde Erkenntnis … das Stück für Stück tiefer gehende Gefühl des Schmerzes des Verlusts - nicht des Verlusts der Liebe … was den Schmerz umso erdrückender machte.

Ich versuche hier gerade, Worte zu finden, um zu beschreiben, wie wundervoll traurig diese Momente waren … Momente des gemeinsam durch den selben Schmerz Gehens.
Momente, in denen wir uns so unglaublich nahe waren und gleichzeitig versuchten, uns gegenseitig durch die Trennung zu helfen.

So waren wir uns in diesem Moment unglaublich nahe - nahe in der Trennung … Einigkeit in der Entzweiung … voller Liebe für einander.

Das erste Mal während unseres letzten gemeinsamen Urlaubs als Paar sollte nun die Sonne scheinen?! … am Tag meiner Abreise … am Tag des endgültigen Abschieds.

Monty suchte uns eine schöne französische Bäckerei aus, in der wir frühstückten.

Wir unterhielten uns … ganz normal … über unsere Ideen, die Pläne der nächsten Wochen. Es ging uns erstaunlich gut an dem Morgen.

Das Wetter half wohl. Wir sagten uns, dass es wohl ein Zeichen sei, dass es gut werden wird … irgendwann.

… ein paar letzte Momente gemeinsam am Bahnhof, bevor wir in den Zug zurück nach Brüssel stiegen.

Die Zugfahrt über hielten wir uns an den Händen.
Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und sah aus dem Fenster.

Dann war der gefürchtete Moment des Abschieds gekommen

… der Moment, vor dem ich unvorstellbare Angst hatte

… der Moment, der in meinen Gedanken der letzten Tage und Wochen immensen Raum eingenommen hatte

… der Moment, den ich so oft durchlebt hatte, bevor er tatsächlich gekommen war.

Wir betraten den Flughafen, gingen bis zur Gepäckaufnahme gemeinsam.
Ich gab mein Gepäck auf … ein sehr einfacher Prozess … Ich war zu durcheinander, sodass ein sehr netter, fröhlicher Angestellter des Flughafens mir half, ein gemütlicher alter Mann, der mir dann noch zusicherte, dass alles gut werde, als ich ihm sagte, dass ich etwas durcheinander wäre heute.

Dann begleitete Monty mich bis zum Security Check … den literarischen Point of no return.

Vor mir lag die Heimreise nach Wien. Alleine.
Hinter mir liegen anderthalb Jahre voller Liebe, Empathie, Zuneigung, Vertrauen.

Wir umarmten uns lange. Küssten uns. Umarmten uns nochmals lange. So lange, bis Monty mich bat zu gehen, weil er sonst anfinge, am Flughafen zu weinen.

Eine letzte Umarmung brauchte ich noch, bevor ich ging.

Dann wiederholte sich die Szene von meinem letzten Besuch:

Ich gehe durch die Serpentinengassen zur Security, wir winken uns an jeder Windung zu.

… in mir der Wunsch, einfach zurückzugehen und ihn nur noch ein letztes Mal, noch ein allerletztes Mal in meinen Armen zu halten, zu küssen.
Mein Körper ging einfach weiter … bis ich dann am Ziel war und noch einmal versuchte zurückzusehen und ein letztes Mal zu winken.
Ich habe ihn nicht mehr gesehen.

Wie ferngesteuert ließ ich die Sicherheitskontrolle meiner Kameras und meiner selbst über mich ergehen, um anschließend in einem recht leeren Bereich zu landen, in dem es für wenige Momente einfach still zu sein schien.

Ich kam zu mir und machte mich auf den Weg zum Gate … erstaunlich gefasst.

Ich suchte mir ein Lokal, aß ein Sandwich und blickte nach draußen.
Da in diesem Bereich des Flughafens wenig los war, hatte ich sogar Ruhe, ein wenig in mein Tagebuch zu schreiben, diesen Moment festzuhalten, um ihn irgendwann nachlesen zu können - wenn ich die Kraft dazu aufbringen kann.

Den Flug über hörte ich einen Podcast über Fotografie und Kameras. Ich wollte mich ablenken. Ich wollte auf keinen Fall im Flugzeug aus dem nichts anfangen zu weinen.

Der Flug war im Großen und Ganzen sehr schön: sonniges Wetter, keine Komplikationen, Ausblick.

Dann näherten wir uns Wien und damit der Landung.
Das Wetter bei der Landung riss mich aus meiner Ablenkung und sollte einen emotionalen Ausblick auf die vor mir liegenden Abende geben.

Über den Wolken hatte die Sonne geschienen …


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vermissen.

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Été 22